Schweiz
Gesellschaft & Politik

Afghanistan: Zahlen des Bundes zum Familiennachzug

FILE- Arefeh 40-year-old, an Afghan woman leaves an underground school, in Kabul, Afghanistan, Saturday, July 30, 2022. Afghanistan's higher education minister Nida Mohammed Nadim on Saturday, Au ...
Systematisch diskriminiert: Die 40-jährige Arefeh versteckt unter einer Burka in der Hauptstadt Kabul.Bild: keystone

Exklusiv: So viele afghanische Frauen stellen ein Gesuch um Familiennachzug

Nach einer Praxisänderung erhalten deutlich mehr Afghaninnen den Flüchtlingsstatus – und sofortiges Anrecht auf Familiennachzug. Jetzt gibt der Bund bekannt, wie viele Frauen aus Afghanistan in den letzten Jahren ein entsprechendes Gesuch gestellt haben.
10.11.2023, 09:2610.11.2023, 09:31
Kari Kälin / ch media
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Seit Mitte Juli erhalten praktisch alle Afghaninnen automatisch den Flüchtlingsstatus – und damit sofortiges Anrecht auf Familiennachzug. Ehemänner und minderjährige Kinder dürfen damit nachreisen. In der Herbstsession sagte Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider (SP):

«Unter den Taliban haben die Frauen und Mädchen praktisch keinen Zugang mehr zu Bildung, Rechtsmittel und Gesundheitsversorgung.»

Die im Juli in Kraft getretene Praxisänderung bedeutet auch, dass vorläufig aufgenommene Afghaninnen ein neues Asylgesuch einreichen können. Ende August lebten gut 3000 Afghaninnen mit diesem Aufenthaltsstatus in der Schweiz. Ihr Asylgesuch wurde abgelehnt, sie werden aber nicht ausgeschafft, weil eine Rückkehr in ihre Heimat derzeit unzumutbar wäre. Vorläufig Aufgenommene können ihre Familie frühestens nach drei Jahren nachziehen, falls sie wirtschaftlich auf eigenen Beinen stehen.

Etwa vier Fünftel der Geflüchteten aus Afghanistan sind Männer. Zumindest in der Vergangenheit waren Gesuche um Familiennachzug von afghanischen Frauen denn auch kein Massenphänomen. Zwischen 2020 und 2022 registrierte das Staatssekretariat für Migration (SEM) deren 59, wie es mitteilt. Seit Juli dieses Jahres haben 11 Afghaninnen ein Gesuch um Familiennachzug gestellt. Ob sie dies aufgrund der Praxisänderung getan haben, ist laut SEM nicht bekannt. Wie sich das neue Asylregime auf den Familiennachzug auswirkt, bleibt also vorerst eine offene Frage.

An Afghan refugee woman returns to Afghanistan through the Torkham Pakistan-Afghanistan border, in Torkham Afghanistan, Friday, Nov. 3, 2023. A huge numbers of Afghans refugees entered the Torkham bor ...
Eine Afghanin mit ihrem Kind überquert die Grenze nach Pakistan.Bild: keystone

Derweil warnen SVP und FDP vor einem Sogeffekt und fordern Baume-Schneider auf, die Praxisänderung rückgängig zu machen. In der Herbstsession versuchte die Bundesrätin, die Bedenken zu zerstreuen. Sie sagte, dass Afghaninnen, die bereits in einem anderen EU-Staat ein Asylgesuch gestellt hätten, weiterhin dorthin zurückgeschickt würden. Und:

«Zu behaupten, dass jetzt Tausende Frauen kommen, die ihre Ehemänner kommen lassen, ist falsch.»

Sie fügt an, dass dies umso falscher sei, als junge, unverheiratete Afghaninnen in die Schweiz kämen.

Diese Aussage bezieht sich auf die Tatsache, dass zwischen August 2022 und Juli 2023 knapp 200 afghanische Frauen allein in unser Land kamen. Rund zwei Drittel von ihnen waren ledig. Laut SEM reisen die meisten Afghaninnen bereits im Familienverbund ein.

Mit der Praxisänderung folge die Schweiz einer Empfehlung der Europäischen Asylagentur, betont das SEM. Sie gelte bereits in allen Nachbarländern, aber auch Staaten wie Schweden, Dänemark oder Spanien. Es sei deshalb nicht davon auszugehen, dass die Schweiz besonders stark im Fokus von Afghaninnen stehen werde.

Fest steht auch: Bis Ende September stammten die meisten Asylgesuche von Menschen aus Afghanistan.

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Vom Minirock zur Burka – Frauen in Afghanistan
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Vom Minirock zur Burka – Frauen in Afghanistan
Kabul 1972: Studentinnen in Miniröcken sind im Neubauviertel Shar-e-Naü unterwegs. Eine dünne städtische Oberschicht in Afghanistan übernahm westlichen Lebensstil und westliche Kleidung.
quelle: laurence brun /gamma-rapho via getty images
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124 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Snowy
10.11.2023 10:02registriert April 2016
Natürlich gibt auch die Möglichkeit des Familiennachzugs einen Pull Effekt. Aber darum geht es nicht in erster Linie.

Wir müssen unsere Asylpolitik komplett neu denken. Erste Ansätze sind da: Bsp Dänemark (mit linker Regier) und Italien, welche Asylverf in Drittländern abhalten wollen.
Ziel muss sein, dass Asylges nur noch im Herkunftsland, einem Nachbarland direkt bei einer Botschaft oder äquivalenten dipl. Vertretung gestellt werden können. Wer nachweisen kann, dass sie/er persönlich an Leib und Leben bedroht ist (ergo die Flüchtlingskrit erfüllt) darf ein Flugzeug besteigen und einreisen.
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du_bist_du
10.11.2023 09:55registriert Mai 2020
Ob das richtig oder falsch ist, sowohl im rechtlichen, politischen als auch ethischen Sinne, ist sicher eine Diskussion.
Was mir aber auffällt, für mich persönlich, sind die Argumentationen und Aussagen von Frau Baume-Schneider seit Amtsbeginn. Sehr oft wirken diese unglücklich oder merkwürdig plumb. Vielleicht liegt es an den Medien, an mir oder halt eben doch an Frau Baume-Schneider.
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Gin Toni
10.11.2023 12:13registriert Oktober 2020
Vielleicht sollte man einfach Mal den Weg gehen, Flüchtlinge in deren kulturnahen Ländern unterzubringen. Ukrainer in Westeuropa, Afghanen in Saudi Arabien/Katar/Oman, z.B. Honduraner in Kolumbien, Mexiko oder Argentinien, z.B. Nigerianer in Namibia, Angola etc. Und das ganze kann man auch aus den Industriestaaten finanziell unterstützen.
Wenn man nach D, F oder GB schaut kommt das auf lange Sicht nicht gut so wie es momentan läuft. 100 kommen rein und 2 gehen effektiv zurück (diese Quote ist gefühlt, gewiss).
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